Montag, 26. April 2010

Das änderte sich, als ich zwei Jahre alt war und die Vorstellungen im Wald vor den imponierten Bekannten meines Vaters korrekt absolvierte. Schnell sprach sich herum, was für ein begabtes Kind ich sei. Um das Ganze aber noch ein bißchen zu würzen, brachte mein Vater mir bei, einen Pilz zu identifizieren, während ich an seinen hingehaltenen starken Armen eine Rolle machte. Turnen machte mir später als Junkie noch Spaß, nur mußte ich dann so oft schlimm kotzen, darum entwickelte sich mein Bewegungsdrang im Laufe der Jahre auf den einer Sumpfschildkröte zurück. Nach einmal paarmal üben meinte mein Vater, nun wäre ich fit, umwanderte den nächsten Berg mit mir, sammelte nur noch die seltensten, schönsten und interessantesten Exemplare, und hielt, ein bißchen nervös, Ausschau nach Publikum. Der durchschnittliche Zentraleuropäer hat das Wandern im Blut, und so mußten wir auch nicht lange auf Zuschauer warten. Es war ein sehr angenehmes Leben für mich in dieser Zeit, ich machte einen Überschlag, oder auch mehrere, an den Armen meines Vaters, bekam irgendeinen Pilz von irgendjemand vorgehalten, redete mit dem Kopf nach unten hängend lateinisch und erhielt die verdiente Belohnung. Dann lernte ich meine jüngere Schwester, das mittlere Kind kennen, und war vom ersten Moment an negativ beindruckt. Auf dem schmalen Balkon im zweiten Stockwerk, gegenüber der Tanzschule, stand ein rundlich geformter Kinderwagen. Türkisgrün, mit zugezogenem Verdeck und riesigen, silbern glänzenden Schutzblechen über prall aufgeblasenen kleinen weißen Reifen. Darüber strahlender, tiefblauer Spätaugusthimmel, in voller, duftender Pracht, Verschwendung pur. Geschäftig brummelnde und summelnde Käfer, Bienen, Wespen und auch ein schöne, pelzige Hummel in betrunkenem Flug über den Balkon in luftiger Höhe. Warm ist es, angenehm, keine starke Hitze. Die dicke Hummel kreuzt meinen Weg. Da steht der Kinderwagen mit meiner neuen Schwester. Auf einmal war sie da gewesen, nie bemerkte ich bei meiner Mutter irgendeine Veränderung in der Zeit ihrer Trächtigkeit, weder körperlich noch in anderen Bereichen. Auch nicht, als ich plötzlich gesagt bekam, wir haben jetzt noch einen Bruder, einige Jahre später. Meine Mutter hatte eines Tages einfach ein paar Kinder mehr. Damals machte ich mir keinerlei Gedanken, wo all diese Kinder auf einmal herkommen könnten. Sie waren eben plötzlich da – und damit hatte es sich.

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