Eine winzig kleine Hoffnung kann ich nicht aus meinem Kopf rauskratzen. Es könnte ja sein, daß ich im Moment meines Todes ausgestattet bin mit besonderen Fähigkeiten. Fähigkeiten, die mir Zeitreisen erlauben. Möglichkeiten, die es mir gestatten, in frühere Existenzen einzutauchen, sie (erneut..?) zu erleben,… zumindest, mich ihrer zu erinnern. Warum nicht auf zeitgemäße Art, wie beim Fernsehgucken als unbeteiligte Zuschauerin, bei einem Inquisitionsprozess, einer Mammutjagd, bei Druidenritualen in alten Stonehenge, der Zerstörung der großen Bibliothek von Alexandria durch Dschingis Khan’s Mongolenhorde; die Einweihungsfeiern der Großen Pyramide von Tenochtitlan, in Pompeji den Vesuv-Ausbruch, in Kambodscha die Errichtung des Angkor Wat, Geheimnisse in der Verbotenen Stadt Peking‘s mit zu erleben. Wenn ich an manchen Punkten meines Lebens mit 100%iger Sicherheit gewußt hätte, in jede Epoche, deren Geheimnisse mich faszinierten, versetzt werden zu können, Antworten auf immer die gleiche Fragestellung zu finden…ich hätte mich gemütlich umgebracht. Ungestüme Kindlichkeit, übermütige Neugier… habt Nachsicht mit mir. Ich werde es noch früh genug erfahren. Mit Sicherheit. Dennoch lebt die Frage im Verborgenen weiter wie ein glimmender Holzscheit, der bei günstigem Windstoß ein kräftiges Feuer auflodern lässt. Nagend manchmal. Lästig. Beunruhigend hartnäckig. Immer wieder kreisen meine Gedanken zwanghaft um das gleiche Thema: wenn ich wüßte, im Augenblick meines Übergleitens oder auch kurz danach alle Geheimnisse zu durchschauen, über jede gewünschte Erkenntnis Gewissheit zu erlangen …wenn ich mir sicher sein könnte, wahre Antworten zu finden…..was wäre dann…was würde ich tun.. wäre ich fähig, Geduld aufzubringen und zu warten, bis ich den Löffel abgebe? Ich bin von ungeduldiger, nervöser, leicht reizbarer Natur, es fällt mir schwer, vorauszusagen, was ich tun werde.
Zunächst wurde ich erst einmal gemacht. Meine Erzeuger waren alle beide unerfahren auf diesem Gebiet. Es gab andere Themen als die Herstellung von Kindern, auf denen sie sich weitaus besser auskannten. Meine Mutter zum Beispiel beherrschte die Kunstfertigkeit, Federvieh korrekt zu rupfen, auszunehmen und es knusprig zuzubereiten. Sie wußte, wie ein großes, dreistöckiges Haus mit vielen, vielen, Öfen im Winter warmgemacht wurde. Sie war eine Meisterin im Berechnen von Haushaltsausgaben gemessen am zur Verfügung stehenden Budget. Und da die Natur sie überreichlich mit der wohltuenden Eigenschaft der Naivität versehen hatte, und sie den 2. Weltkrieg besser überstanden hatte, als so manch anderer in ihrer näheren Umgebung, glaubte sie, in der Tat einen Grund zum Lachen zu haben. Ihr heiteres Wesen bescherte so manchem jungen Mann eine schlaflose Nacht nach der anderen. Überhaupt lebte sie wie in einem Traum. Nicht wie im Traum, sondern „Wie in einem Traum“. Zum Träumerischen hatte sie von der Natur nicht das nötige Maß schöpferischer Vorstellungskraft mitbekommen, und nach schweren Kriegszeiten ist sowieso tatkräftiges Zu- und Anpacken gefragt. Heiterkeit (lächeln, grinsen, kichern, fast pausenlos) verwechselte ich jahrzehntelang mit Humor. Humor besitzt meine Mutter nämlich nicht. Ich habe Humor. Ich kann witzig sein und bin empfänglich für fast alles, worüber man sich amüsieren kann. Wir lachen nicht über die gleichen Dinge. Was ich witzig finde, findet sie meistens scheußlich. Oder sie versteht überhaupt nicht, warum ich etwas witzig finde. Außerdem braucht sie oft lange, um einen Witz als Witz zu identifizieren. Meine zukünftige Mutter lachte entweder aus Verlegenheit oder weil sie oft nichts besseres zu tun hatte. Schlechte Laune konnte sie nicht leiden, bei niemandem. So machten sie ihr Sinn fürs Praktische zusammen mit dieser eigentümlichen Heiterkeit zu einer begehrten Anwärterin für den Bund der Ehe, den in diesen trostlos-hoffnungsvollen Tagen zehn Jahre nach Kriegsende zahlreiche junge Christen zu schließen anstrebten.
Dienstag, 23. März 2010
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